Schöne Bescherung
Es könnte eines der schönsten Weihnachten werden, das es seit vielen Jahren gegeben hat. Vielleicht sogar das schönste, denn eines unterscheidet dieses Weihnachten tatsächlich von den vorausgegangenen. Es ist anders, die Umstände haben sich drastisch verändert, die Welt ist eine andere geworden und sie wird es in den kommenden Monaten noch mehr werden, wenn sich weiter Dinge verändern, an die Oberfläche dringen, aber auch nahezu alles von dem, was bisher gewohntes Leben bedeutet hat, zu Asche verwandeln wird. Eine schöne Bescherung hat man da den Menschen unter den Weihnachtsbaum gelegt, wird´s dem ein oder anderen dann doch mulmig werden, wenn er die Verpackungen der Geschenke entfernen muß.
Der Mensch lernt gewisse Dinge in seinem wahren Wert erst dann zu schätzen, wenn er deren verlustig geworden ist. Vieles ist zu einer Selbstverständlichkeit verkommen, vieles von dem, was einst die Weihnachtszeit mit Sinn erfüllte, ist nicht nur abhanden, nein auch völlig zerstört und verstoßen worden. Ein zum Kaufrausch, zu einer Materialschlacht verkommenes, von Gedränge und Hektik geprägtes Fest, das schon lange keines mehr war, hat nun endlich die einmalige Chance bekommen, wieder zu dem zu werden, was es einst gewesen ist. Weniger ist mehr, brachen nicht wenige Gabentische unter der Last all´ der unnützen Dinge zusammen, die nur wenige Tage später wieder in anderen Müll eingetauscht werden mußten, da man die wahren Bedürfnisse seiner Lieben maßlos falsch eingeschätzt hatte. Füllten sie Körbchen unter den Weihnachtsbäumen mit niedlichen kleinen Tierchen aller Couleur, so füllten sich an den Tagen danach die Tierheime mit jenen Kreaturen, die so mancher Blödmann seinen Kindern zu schenken wagte. Endlos die Liste an Dekadenz des Wahnsinns ob der blinden Schenkens-Wut, die keinerlei Grenzen mehr zu kennen schien.
Zähneknirschend karrte man die Oma aus dem Altersheim heran oder schlurfte widerwillig zu jenen nach Hause, deren Hintern man die Monate zuvor erfolgreich zu ignorieren wußte. Dies und noch vieles mehr an Absurditäten der besinnlichen Zeit aus vergangenen Tagen darf nun hinter sich gelassen werden. Vorbei der ganze Rummel um die vordersten Parkplätze und schluß mit dem Gedrängel an den Kassen der Einkaufsmeilen. Wenn auch nur als Drohung, als eine sogenannte Verordnung wurde nun dieses Jahr zum zweiten Mal den Leuten die vorweihnachtliche Stimmung vermiest. Zum zweiten Mal verbietet man die Geselligkeit im Kreise seiner Lieben, begrenzt die Zahl derer, die teilnehmen dürfen und macht obendrein noch Unterschiede zwischen vollwertigen und wertlosen Schlümpfen. Gewirkt haben sie, die unumkehrbaren Maßnahmen der vergangenen Monate, auf daß die Menschen sich selbst zu trennen wagen.
Nun; was ist so anders an diesem Weihnachtsfest? Was unterscheidet dieses zu allen vorangegangenen? Man hat den Menschen vieles von dem verboten, was sie ohnehin, entweder nur mit Widerwillen getan, oder aus falschen Überzeugungen zugelassen haben. Man hat ihnen das verboten, was eigentlich zu einer alten, wenngleich auch künstlich erzeugten Kultur gehörte und befahl Gehorsam zur Umbenennung der Weihnachtsmärkte in Wintermärkte. Schlossen diese vielerorts und setzte man zu allem Überfluß auch noch den Weihnachtsmann fest, da dieser sich nicht ausweisen wollte. All´ die einst hochgeschätzten und liebgewonnenen Gewohnheiten und Rituale dahin, scheint nun kaum noch etwas möglich zu sein, worauf sich nicht die Kinder einst so sehr zu freuen wußten. Doch, und darin begründet sich zutiefst der Unterschied in diesem Jahr zu den anderen Jahren, daß die Menschen nun so langsam beginnen, zu realisieren, was sie verloren haben. Sie beginnen sich gewahr zu werden, was es bedeutet eine Familie zu haben, für die sich die Weihnachtszeit als besinnliche Zeit des Jahres zu bewahren lohnt. Die Menschen beginnen wieder das wertzuschätzen, was an Wert so viel verloren hatte, sie finden wieder zu dem zurück, was all´ die Jahre Stück für Stück verloren ging.
Betrachtet man es aus dieser Perspektive, sieht man einmal von dem vielen Leid, das bisher mit all´ den Maßnahmen seitens der Verantwortlichen erzeugt worden ist, ab, bekommt das Weihnachtsfest eine völlig andere Bedeutung. Erst durch das, was an Wahnsinn hinter uns liegt, konnte wieder ein Bewußtsein für die wahren Werte erwachsen. Erst durch das Verbot, gewannen die so sträflichst vernachlässigten Dinge wieder eine Bedeutung. Wie, wenn nicht auf diesem Weg, wie, wenn nicht mit diesem Druck, konnte ein Umdenken der Menschen erreicht werden? Wann, wenn nicht jetzt und unter diesen Bedingungen, hätten sich so viele Menschen zur Besinnung rufen lassen? Wenngleich es makaber erscheinen mag; dankbar kann man sein, dankbar dafür, daß in allerletzter Minute zwar, dann doch noch rechtzeitig, die Reißleine gezogen werden konnte.
Die Menschen mußten erst in aller Deutlichkeit gespalten werden, um wieder zueinander streben zu wollen. Gehetzt, gespalten, gedroht und „geboostert“ mußte erst werden, so daß begriffen werden kann, wo die wahren Werte einer friedlichen Gesellschaft verborgen liegen. Wenn zu vieles zu selbstverständlich geworden ist, verliert es seinen Wert. Wenn alles vorhanden ist, an was darf dann noch ein Wert bemessen werden? Erst dann, wenn man die Dinge verloren hat, oder deren Gebrauch verboten worden ist, will man sie haben, giert danach und ist, wenn es die Umstände erfordern, auch bereit, die Hufe in Bewegung zu bringen. Freilich, es geht in diesen Tagen um weit mehr als die wenigen Tage dieses Weihnachtsfestes, liegt in ihm aber die Symbolik der vergangenen Monate und der darin erfolgten Einschränkungen verborgen. Nach diesen Tagen der Besinnung Widerwillen, werden die Verluste, vor allem die, die unwiederbringlich sind, noch mehr an Wert und Bedeutung gewinnen und nicht wenige Menschen werden sich erst weit später bewußt werden, was in all´ den Jahren, so sträflich mißachtet worden ist.
So bitter es für viele auch kommen mag, so, wie es bisher gelaufen ist, vor allem an solchen Tagen wie den des Weihnachtsfestes, konnte es nicht mehr weitergehen. Herausgerissen aus einem sich zu Tode laufenden Prozeß der ständigen Wiederkehr von Kauf und dem Wegwerfen, aus Völlerei und Streß, vermag der ein oder andere seine Chance erkennen, aus der sich heraus, ein völlig anders gearteter Neustart wird vornehmen lassen. Vermutlich, so bleibt zu hoffen, wird dieser Jahreswechsel einer der wichtigsten dieses Jahrhunderts sein, schwelt in ihm doch der Geruch eines gewaltigen Umbruches empor, der, wenn angenommen zu einer friedlicheren Welt wird führen können. Eingedenk; es ist noch lange nicht vorbei und noch vieles wird beschwerlich werden, so werden diejenigen aber, die schon lange sich besonnen haben, weitaus weniger an Schmerz erleiden müssen, als jene, die die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt haben wollen.
Eine schöne Bescherung, und das in voller Überzeugung ob der wahren Bedeutung dieser Worte, dürfen die Geschenke nun angenommen, mit dem Abgesang auf das Vergangene, darf das Neue begrüßt und willkommen geheißen werden. Möge man sich gerade in diesen Tagen besinnen, worauf es im Leben wirklich ankommt und mag sich besonnen werden, daß, nicht andersherum, die Menschen geliebt und Dinge benutzt werden sollten. Die Umkehr haben wir hinter uns – so wünsche ich allen eine besinnliche Weihnacht, geruhsame Feiertage im Kreise der Lieben, und: eine schöne Bescherung.
Herzlichst Ingo