„Zwischen Allein und Einsamkeit“
Isolation, Lockdown, und Social Distancing – Neusprech; die neue Nähe, das neue Miteinander, Füreinander – ein Alptraum. Begriffswunder aus den vergangenen Monaten, ist dies jedoch nur die konsequente Fortführung dessen gewesen, was es ohnehin weit vorher schon gab, nur besaß es noch keinen Namen.
Die einzige Konsequenz aus allem, die Einsamkeit und das Alleinsein. Vermessen; diese bitteren Konsequenzen der vergangen Jahre allein den Maßnahmen im angeblichen Kampf gegen einen unsichtbaren Feind zuzuschreiben, vermessen auch, das Voran-Geschehene zu ignorieren.
Die Menschen litten unter der Isolation, dem Eingesperrtsein. Vor allem die Alten und die Kinder ertrugen es nur mit Mühe, und nicht ohne bleibende Schäden, ihre Freunde, oft die eigenen Großeltern, Kinder und Enkel nicht sehen zu können. Zu Recht die Empörung vieler ob dieser Unsäglichkeiten im Umgang mit Menschen. Doch ist das die ganze Geschichte, ist das die ganze Wahrheit über Einsamkeit und dem Alleinsein?
Heuchlerisch, gar selbstverleugnend, auf diese Frage mit einem Ja, wenigstens mit einem Achselzucken zu reagieren. Nein, es mißt nicht ein Zehntel dessen, in wie viele Menschen ihr Leben in Einsamkeit und allein für sich verbringen mußten, vielleicht auch wollten. In der Endkonsequenz ändert das ´Wollen´ oder ´müssen´ nichts am Ergebnis. Viele Worte schon darüber verloren, wie sich die vergangenen zwei Jahre anfühlten, unzählige Gedanken darüber gemacht, weshalb dies so kam, oder so kommen mußte. Unnötig, weiter Mühen auf sich zu nehmen, um immer wieder aufs Neue dieselben Ebenen zu betreten.
Betreten wir doch gemeinsam eine andere Ebene, jene, die einen völlig anderen Blickwinkel auf die beiden Begrifflichkeiten zuläßt. Zwei Autoren schrieben an dem Buch, dessen Inhalt sich der Einsamkeit, aber auch dem Alleinsein widmete. Der eine schrieb wie ihm befohlen, in dem er den beiden Begriffen einen schlechten Ruf anheftete, diese mit allem Negativen zu versehen hatte, was die Manipulation durch Sprache zu bieten vermochte, der andere jedoch schrieb mit unsichtbarer Tinte seine Worte in dieses Buch, die nur jene Menschen zu lesen vermochten, die bereit gewesen sind, sich auf diese Ebene der Betrachtung wagen zu wollen.
Hermann Hesse hinterließ zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zwei bemerkenswerte Zitate, die da lauten: „Einsamkeit ist der Weg, auf dem das Schicksal den Menschen zu sich selber führen will.“ Und „Nur im Alleinsein können wir uns selber finden. Alleinsein ist nicht Einsamkeit, sie ist das größte Abenteuer!“ Noch einmal zur Erinnerung; „Wer die Sprache beherrscht, beherrscht die Gedanken der Menschen, und wer die Gedanken beherrscht, beherrscht den Menschen.“
Wir, die Menschen behaften Worte und Begrifflichkeiten oft mit Interpretationen die auf der Basis von vorausgehender Manipulation entstanden sind - die Menschen werten aus falschem Glauben. Es wird alles dafür getan, Begriffe mit Definitionen zu belegen, die von der eigentlichen, der wahren Bedeutung ablenken. Definitionen werden in der Weise gewählt, so daß sie in den meisten Fällen die Bedeutungen ins Gegenteil verdrehen, und somit beim Nutzer eine Wertung erzeugen, die wenn lange genug gebraucht, ihre Wirkung im Empfinden entfalten wird.
Insbesondere bei den beiden Begriffen ´Einsamkeit´ und dem ´Alleinsein´ entsteht eine Wertigkeit, die wenn sie angenommen / übernommen worden ist, die Menschen sich allein in ihrer Einsamkeit nicht wohl fühlen, da es dem allgemeinen Verständnis von Einsamkeit widerspricht. Das Narrativ des Herdenwesens Mensch seit frühester Kindheit vermittelt zu bekommen, ist im Kern zwar nicht falsch, jedoch verschweigt es einen elementaren, einen heilenden Teil der ganzen Geschichte.
´Eins - am´. Dies ist keine falsche Silbentrennung, dies ist ein Hinweis worum es tatsächlich geht. Bekanntlich verändert ein ´und´ oder ein ´oder´ den gesamten Sinn des Satzes. Trennt man nicht wie üblich die Worte nach Silben, und ist man willens, sein Verständnis erweitern zu wollen, eröffnet eine veränderte Lesart alles. Das ´Eins mit sich selbst zu sein´, ist der Kern, worum es geht. Vom Finden dieses Kernes sollen die Menschen unter allen Umständen ferngehalten werden. ´Dieses Eins mit sich zu sein´ haben die Menschen verloren, es wurde ihnen geraubt, oder sie warfen es aus falschen Überzeugungen selbst beiseite.
Am Rande: im Englischen finden wir eine Analogie zu ´Eins – am´. I am – Ich bin. Mag ein jeder selbst sich seine Gedanken darüber bereiten, ist auch die englische Sprache nur ein Kind von vielen Eltern. Es ist also per se nicht die Einsamkeit selbst, welche die Menschen in Schmerzen zwingt, es ist deren Interpretation dieses Begriffes, die ihnen in vielen Fällen üble Gedanken bereitet. Ein Leben lang davon abgehalten, mit sich selbst eins zu sein, bereitet es Schmerzen immer dann, wenn man (gezwungenermaßen) sich auf eine bestimmte Zeit mit sich selbst zu beschäftigen hat. Das ist der Sinn des Zitates von Hermann Hesse, nichts anderes brachte er in wenigen Worten damit zum Ausdruck. In einer Welt voller Ablenkung, in einer Welt voller Mühen und dem ewigen Kampf ums Dasein, wird dem Menschen keine Zeit und keine Ruhe mehr gelassen, sich selbst wiederzufinden, gar zu sich selbst zu finden, und mit sich eins zu werden.
´Alleinsein - all eins - mit allem eins sein´. Ein ähnliches Beispiel. Das Alleinsein beschreibt, sich mit allem verbunden zu fühlen - ein Teil der großen Schöpfung sein zu dürfen. Es beschreibt gleichfalls, zu finden wer man wirklich ist, wo man sich befindet, und mit wem man hier ist. Aus diesen Erkenntnissen, die man nur im Alleinsein gewinnen kann, ergibt sich zwangsläufig auch der Weg, wohin man gehen mag. Auch dieser Weg einer ´Selbsterkenntnis´ soll den Menschen versperrt bleiben, sind beide Wege – die Einsamkeit und das Alleinsein, und deren daraus zu gewinnenden Erkenntnisse – der Alptraum einer jeden Macht.
Der von dieser Macht gewünschte Effekt ist nicht dergestalt, Gewalt auf die Menschen auszuüben, mehr ist es gewollt, daß die Menschen sich selbst geißeln werden, weil sie die Manipulation der Sprache, die Umdeutungen von Begrifflichkeiten nicht erkennen können. Effektiver als jede Gewalt ist die Manipulation im Hintergrund, und über einen sehr langen Zeitraum. Was mit Gewalt erreicht werden kann, sahen wir alle in den beiden letzten Jahren – ein verzweifelter Versuch, den Deckel auf dem Topf zu halten. Mit anderen Worten: nicht die Übeltäter bringen die Veränderung, das Heil dem Menschen, auch kein Retter wird kommen, um alles wieder zu ordnen, es sind die Menschen selbst, die ihre Sicht auf die Dinge verändern müssen, um daß aus dem Schlechten etwas Gutes werden kann.
Einsamkeit und das Alleinsein sind die Wege heraus aus der Opferrolle. Wer seine Sicht verändert, seine Überzeugungen annulliert, wechselt vom Opfer zum „Täter“, vom Gejagten zum Jäger. Erfahrenes Leid macht diese Erkenntnis nicht ungeschehen, birgt sie aber die Kraft und Energie in sich, die weiteren Wege nicht mehr durch andere bestimmen zu lassen.
Herzlichst Ingo

Bild: Öl auf Leinwand, 100x80 cm
© ingo
"Einsamkeit ist der Weg, auf dem das Schicksal den Menschen zu sich selber führen will."
Hermann Hesse
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